Für den kommenden Samstag, 15. Oktober haben die Kollektive Womxnlifefreedomvoice aus NRW und das Kreischfestival aus Essen aufgerufen, um 16 Uhr am Bochumer Hauptbahnhof internationale Solidarität für die iranische Bevölkerung zu zeigen. Von unserer Gastautorin Meike Vitzthum
Die Proteste im Iran weiten sich trotz schwerer Repressionen aus. Rund 200 Menschen sollen bereits gestorben sein, darunter auch Kinder und Jugendliche. Die Behörden hängten zuletzt auf einem zentralen Platz in Teheran ein großes Werbebanner auf, das unter dem Motto „Frauen meines Landes“ 50 Frauen mit Hidschab zeigte. Innerhalb von 24 Stunden wurde es nach wütender Kritik wieder entfernt.
Weltweit setzt sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock für eine feministische Außenpolitik ein. Doch ausgerechnet bei den Frauenprotesten im Iran kommt Kritik: Berlin habe zu leise und zu langsam reagiert.
Wenn es einen Zeitpunkt gäbe, an dem sich eine feministische Außenpolitik voll entfalten könnte, dann wäre das jetzt, heißt es aus der Opposition im deutschen Bundestag. Die Proteste im Iran seien der beste Anlass, den Begriff “mit Leben zu füllen”, so kürzlich der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jürgen Hardt.
Der Iran erlebe womöglich gerade die Anfänge einer feministischen Revolution, sagt die Journalistin Natalie Amiri in «Gredig direkt». Es brauche jetzt gezielte Sanktionen und Einreiseverbote für die Machtelite, ist die iranisch-deutsche Doppelbürgerin überzeugt.
Die Gleichstellungsministerinnen und -minister der G7-Staaten haben sich bei ihrem zweitägigen Treffen in Berlin solidarisch mit den Protesten besonders von Frauen und Mädchen in Iran erklärt.
«Wir rufen die iranische Regierung auf, die Unterdrückung zu beenden und der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein Ende zu setzen», sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zum Abschluss der Beratungen am Freitag in Berlin.
Frauen waren im Iran die ersten, die Widerstand gegen das Khomeini-Regime geleistet haben – und sie sind auch jetzt diejenigen, die den Widerstand tragen.
Der Freiheitskampf der iranischen Frauen ist geradezu ein Lehrbuchbeispiel für den Einsatzbereich dieser feministischen Außenpolitik. Listungen von Einzelpersonen und Entitäten auf internationalen Sanktionslisten, das Einfrieren von Vermögenswerten, die Verweigerung von Einreise- und Aufenthaltsmöglichkeiten, die Stärkung der iranischen Zivilgesellschaft, die Unterstützung bei der Umgehung von Netzsperren. Die klare Benennung der Tatsache, dass es sich beispielsweise bei den islamischen Revolutionsgarden um eine Terrororganisation handelt. Und zu guter Letzt die Junktimierung von internationalen Verträgen mit dem Iran mit der Einhaltung der Frauen- und Menschenrechte vor Ort. Alle diese Maßnahmen sind konkret und durchführbar – wenn der politische Wille vorhanden ist.
Insgesamt wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für die Europäische Union in ihrer Gesamtheit, die feministische Außenpolitik (verschriftlicht) zu einer Basis und einer Leitlinie des außenpolitischen Handelns zu machen.
Eine junge Bewegung für Demokratie und Selbstbestimmung erschüttert gerade das islamische Regime im Iran. Die Protestierenden sind großteils weiblich, sie sind unerschrocken – und sie scheinen keine Vorbilder mehr zu brauchen. Über eine Zäsur.
Seid stark und entschlossen, Schwestern, es ist Zeit, / die Unterlegenheit der iranischen Frauen ist eine der Unwissenheit / Mann oder Frau, ihre Überlegenheit und Rang liegt im Wissen / (. . .) Wüsste doch jedes Mädchen um den Wert des Lernens“, schrieb 1924 die iranische Dichterin Parvin E’tesami in ihrem Gedicht „Wunschgras“. E’tesami war nicht nur eine begnadete Poetin, sie war auch Frauenrechtsaktivistin, Fürsprecherin in der Konstitutionellen Revolution des Iran (1905–1911).
„Frau, Leben, Freiheit“ – die Proteste im Iran gehen weiter. Hierzulande finden sie jedoch keine große Beachtung. Besonders die Zurückhaltung in der Linken fällt auf. Warum tut ausgerechnet sie sich schwer mit dem iranischen Befreiungskampf?